Donnerstag, 12. Januar 2012

Vom Schaf zur Socke!

Will man sich und seine Lieben mit etwas selbst Gestricktem erfreuen, kauft man sich Wolle. Der Weg, den so ein Strang/Knäuel hinter sich hat, ist ein langer. Wohl kaum jemand denkt einmal darüber nach, wie das Knäuel wohl zustande gekommen ist. Zuerst einmal braucht es die Wolle, das weiche Haar einiger Säugerarten. Dies können sein: Schafe (Schurwolle), Kaschmirziegen (Kaschmirwolle) und Angoraziegen (Mohair), Angorakaninchen (Angora),  Kamele (Kamelhaar) und Kleinkamele wie Alpakas,  Lamas und Vikunjas, Moschusochsen (Quiviut) und Yaks (Yakwolle).  Die Hauptlieferanten für Wolle sind Australien, Rußland, Neuseeland, China, Argentinien, Uruguay, Südafrika, Türkei, Spanien, Großbritannien. Zur Wollgewinnung werden die Tiere 1-2 mal im Jahr geschoren (Schurwolle) oder ausgekämmt, einige Schafrassen (Soay) werden gezupft (das ist für die Tiere Schmerzfrei, man löst jeweils vorsichtig nur die fast schon losen Haare).
Schurwolle ist die Wolle vom lebendem, gesunden Schaf. Sie stellt unter den sonstigen Bedingungen für ihre Qualität (Schafrasse, Klima, Herkunft,etc.) die wertvollste Schafwolle dar. Lambswool bezeichnet die Erstschurwolle von noch nicht ein Jahr alten Schafen. Sie ist fein und weich und nicht so fest. Sind nun die Tiere geschoren bzw. gezupft, wird das Vlies gewaschen, dann gekämmt oder kardiert, eventuell gebleicht und/oder gefärbt und zu Kammgarn oder Streichgarn verarbeitet. Kammgarn entsteht durch Kämmen der Rohwolle, wobei die kurzen Faserstücke und Verunreinigungen (Noppen, Nissen, Vegetabilien, der sog. Kämmling) aus dem Vormaterial entfernt werden. Das Kammgarn ist also ein „ausgekämmtes“ und daher hochwertiges Garn. Durch mehrmaliges Vorstrecken, Verziehen, ggf. Nachkämmen und Mischen werden die Fasern gleichmäßig und parallel ausgerichtet. Dieser sogenannte Kammzug wird dann auf speziellen Spinnmaschinen weiter verarbeitet und erhält seine Spinn- und evtl. in einem weiteren Prozeßschritt seine Verzwirnungen. Hier wird dann auch eine eventuelle zweite/dritte Faser, z.B. Poly, Baumwolle, Seide, Lurex etc. zugesetzt, d. h. mit verzwirnt. Streichgarn braucht uns hier nicht zu interessieren, es ist grob, ungleichmäßig und wird zur Herstellung vorwiegend gröbere Web- und Maschenware für Oberbekleidung: z.B. Tweed,  Flausch, Flanell, Loden, Velours, Jersey, Pullover sowie Decken, Teppiche, Möbelbezugsstoffe verwendet. Streichgarn erreicht ungefähr die Hälfte der Reißfestigkeit vom Kammgarn. Nach dem Verspinnen wird die Wolle veredelt, mit "Superwash", oder "EXP" (Filzfrei). Ist die Wolle bis hier her noch ungefärbt, wird sie nun in größeren Fabriken, oder kleinen Hobbywerkstätten maschinell, oder per Hand gefärbt. Hierzu wird der Strang wieder gewaschen, gefärbt, fixiert, gewaschen, getrocknet, gelüftet, evtl. geknäuelt und kommt nun zu seinem Endpunkt - einer Strickerin. Bis hierher war es ein langer Weg. Denken wir uns einmal ein Schaf - ich nenn' es mal Fridolina - das in seiner Herde in Neuseeland lebt.
Da hinten links, da steht Fridolina. Die Schafbauern in Neuseeland haben es auch nicht mehr leicht. Die Herden werden verkleinert. Heute gibt es nur noch etwa 8 Schafe pro Neuseeländer. Das sind ca. 34 Millionen Tiere. Im Jahr 1982 gab es noch 22 mal so viele Schafe, wie Menschen. Trockenheit und der Ausbau der Milchviehbestände seien die  Gründe für den Rückgang, teilten die Hersteller mit. Zudem kämpften  die Schäfer mit niedrigen Preisen für Schafsfleisch und Wolle. Nun aber zurück, zu Fridolina.
Vor der Schur
Nach der Schur
Die Schafscherer werden nicht pro Stunde, sondern pro Tier bezahlt. Da verwundert es nicht, daß ein Scherer schon mal 20 Schafe in 15 Min. nackig macht. Den Tieren tut es nicht weh und es verursacht ihnen auch keinen Streß. Schafe sind ruhig, wenn man sie hinsetzt und zügig arbeitet. Nun wird ihr Vlies in einer Wollkämmerei weiter verarbeitet.
Wollkämmerei Bremen
Dies ist z.B. die Wollkämmerei Bremen, die 2009 nach 125 Jahren schließen mußte. Schade drum! Zurück zu Fridolina, bzw. ihrer Wolle. In der Wollkämmerei ist das Vlies nun gekämmt worden. Nun kann es versponnen und verzwirnt werden.


Ravensberger Spinnerei
Dann geht's ab in die Wollfabrik. 

Hier wird gehaspelt, gefärbt, zu Strängen und Knäuels gewickelt und an den Einzelhandel weiter verkauft. Irgendwann liegt also ein Strang aus Fridolinas Vlies im Regal im Wolladen. Mit fürchterlich wichtig aussehender Banderole verziert, kann dann ein Stück Fridolinchen eingekauft und verarbeitet werden.
Von der Weide bis auf die Nadeln ist es also ein langer Weg. Nicht zu vergessen, wer hier alles mit verdient: der Schafbauer, Scherer, Wollkämmerei, Spediteur, Fluggesellschaft, Zoll, Finanzamt (x-mal Steuern), Wollfabrik, Großhändler, Zwischenhändler, Einzelhändler. Sicherlich hab' ich irgendwen vergessen. Kleine Hobbyfärber wie ich, können nicht direkt beziehen. Das heißt, ich kann weder direkt aus den Herstellungsländern kaufen, noch bei'm Großhändler. Mit viel Glück, kriegt man einen kleinen Sonderpreis im Zwischenhandel, aber nur bei Großabnahme. Dann kommt dazu: Farbe, Fixiermittel, Stromkosten (Mikrowelle zur Fixierung), Wasserkosten, Einstellgebühren, Verkaufsgebühren, PayPal Gebühren, Papier für die Wollanhänger, Druckerpatronen, kleine Goodies zum Mitgeben, Verpackungstüten. So entsteht ein Preis für einen handgefärbten Wollstrang. Unter'm Strich, bleibt da kaum etwas übrig. Es ist halt ein Hobby. Wenn dann die Frage nach günstigeren Preisen aufkommt, sollte sich jeder diese Strecke einmal durchsehen. Aber trotzdem halte ich an meinem Hobby fest und hoffe, daß Euch die Wolle weiterhin so gut gefällt. Fridolina würde sich sicherlich über ihre liebevoll gefärbte Wolle freuen!


2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Wer wie ich auf dem Land mit Kühen und Schafen und noch mehr Getiers aufgewachsen ist, hat einen nahen Bezug zu den Herstellungsprozessen. Auch, weil die Mutter in frühen Jahren in einer Weberei gearbeitet hat. Vielleicht ist daher für mich "Sockenwolle" oder Wolle überhaupt was gaaaaaaaaaaaanz Wertvolles und Unverzichtbares!
Danke, für Deinen tollen Bericht!!!
lG Maria

Sonja hat gesagt…

Dein Beitrag ist wirklich toll, sehr informativ und interessant :-)

Ich wollte mich bei der bedanken, zum einen für Deinen Besuch bei mir und dann a ch noch für den tollen Tip mit dem Tuch, ich hab mich sehr gefreut :-)

liebe Grüsse
Sonja