Sonntag, 1. Juli 2012

No.5 - Lesen, hören, sehen...

"Ich lese gerade"

Kurzbeschreibung:
Walter Kempowski wächst mit seiner sieben Jahre älteren Schwester Ulla und seinem sechs Jahre älteren Bruder Robert in Rostock auf. Sein Vater Karl ist Reeder und Mitglied im Verein für Rostocker Altertümer; seine Mutter Grete behauptet, aus dem im 16. Jahrhundert geadelten Hugenottengeschlecht de Bonsac zu stammen. Von Adolf Hitler versprechen sich die politisch nicht besonders engagierten, aber deutschnational eingestellten Eltern einen Aufschwung für das Deutsche Reich. Die schwarz-rot-goldene Fahne hat Grete Kempowski nie gemocht ("schwarz-rot-senf").
Anfang September 1939, bei Beginn des Kriegs, beklagt Walters Mutter sich: Nun gehe das wieder mit den Lebensmittelkarten los, das Theater. Entsetzlich! Zum Verzweifeln! Im vorigen Krieg hätten sie immer Steckrüben zu essen gekriegt und Dörrgemüse, oh, das wisse sie noch. "Nein", sagte Dr. Krause, diesmal sei alles besser organisiert.
Am 2. Oktober 1939 stirbt Großvater Kempowski. Walters Vater erbt zwar die großbürgerliche Villa in der Steintorvorstadt, aber das Anwesen ist so mit Hypotheken belastet, dass die Familie in ihrer Etagenwohnung bleibt und das Haus vermietet, um die Schulden abtragen zu können.
Karl Kempowski, Leutnant der Reserve, "Träger beider Eisernen Kreuze, des Mecklenburgischen Verdienstkreuzes, des Hamburgischen Hanseatenkreuzes und so weiter", wird 1940 eingezogen und nach Frankreich abkommandiert.
Aus Frankreich kehrte er erbost zurück. Diese Plünderungen, nein, das hätte es im Weltkrieg nicht gegeben. Er sei ja völlig iben.
Im April 1942 werden der Hafen und die Altstadt von Rostock bei einem Luftangriff schwer beschädigt. Grete Kempowski hat mit ihren Kindern im Keller Zuflucht gesucht.
Karl Kempowski wird zum Oberleutnant befördert und erhält als Ortskommandant von Gartz die Aufgabe, Kriegsgefangene auf die umliegenden Güter zu verteilen. Seine Frau kehrt nach einem kurzen Aufenthalt in Berlin mit Walter nach Rostock zurück. Robert holte sie ab.
Als die Gestapo einen Mitarbeiter der Reederei einsperrt, den jungen Dänen Sven Sörensen, der er in aller Öffentlichkeit zerstörte Grundstücke in einen Stadtplan eingezeichnet hatte und deshalb für einen Spion gehalten wird, dringt Grete Kempowski beherzt bis zum Gestapo-Chef vor und verbürgt sich für Sörensen. Nach zwei Wochen kommt Sven Sörensen wieder frei, und weil er ausgebombt wurde, nimmt Grete Kempowski ihn bei sich im Zimmer ihrer Tochter auf, die ohnehin beim Arbeitsdienst in Plau ist. Überraschend kommt Karl Kempowski zu einem Kurzurlaub nach Hause.
Bevor der Vater an die Ostfront zurückkehrt, sorgt er dafür, dass Walter zu Tante Anna Kröger kommt, lernen. Sven Sörensen hält um die Hand Ullas an. Die Mutter ist glücklich, aber vom Vater kommen daraufhin böse Feldpostbriefe.
Ob das überhaupt gehe, Sörensen sei doch Ausländer ... Schließlich stehe er als Offizier im Feld. Das sollte man doch nicht vergessen.

Erst kurz vor Weihnachten 1942 stimmt Karl Kempowski zu, denn wenigstens handelt es sich bei dem Bräutigam um einen Nordländer. Ulla, die inzwischen Anglistik studiert hat, wechselt von Altenglisch zu Dänisch. Im Mai 1943 findet die Hochzeit statt. Nach der Hochzeitsfeier ziehen Ulla und Sven Sörensen nach Kopenhagen.
Bei Grete Kempowski wird ein Magengeschwür diagnostiziert und muß operiert werden. Zur Erholung kommt sie nach Graal, und Walter besucht währenddessen seinen Großvater de Bonsac in Hamburg. Robert Kempowski, der mittlerweile die Wirtschaftsfachschule in Stettin besuchte, wird zur Wehrmacht eingezogen. Sein Vater ersetzt einen Offizier in Baranowice. Als Karl Kempowski im Oktober 1944 ein letztes Mal Heimaturlaub erhält, befindet Robert sich bereits in Kriegsgefangenschaft.
Bei der Musterung am 22. März 1945 stellt der Arzt den noch nicht einmal sechzehn Jahre alten Walter Kempowski bis Oktober zurück: Er braucht also nicht in den Krieg zu ziehen. Mitte April muss er nach Berlin. Da hört er bereits die Artillerie der Roten Armee.
Am 25. April 1945 trifft Walter Kempowski wieder in Rostock ein. Er bleibt ein paar Tage zu Hause, dann fährt er nach Warnemünde zu seiner Einheit, aber die wurde bereits aufgelöst. Freunde drängen Grete Kempowski, sich mit Walter auf dem zum Auslaufen bereiten Dampfer "Friedrich" in Sicherheit zu bringen, aber sie kann sich nicht entscheiden und bleibt in Rostock. Was würde ihr Mann sagen, wenn er aus dem Krieg heimkehrt und feststellen muss, dass sie alles aufgab? Anfang Mai sieht Walter den ersten Russen. Auf einem Motorrad. Den Beiwagen voller Schuhe, vom Schuster nebenan geholt.
"Wie isses nun bloß möglich", sagte Grete. 

Walter Kempowski schreibt hier seine Familiengeschichte. Ein wunderbarer Schreibstil, der die Geschehnisse in dieser Zeit niemals beschönigt, oder verteufelt. Nüchtern erzählt, aber fesselnd zu lesen.

"Ich sehe gerade"

Kurzbeschreibung:
Die einleitende Sequenz des Filmes erinnert in ihrer Gestaltung an einen Dokumentarfilm: Walter Kempowski führt den Zuschauer „persönlich“ – in Gestalt des Erzählers Ernst Jacobi – in das Geschehen ein. In der Folge kommentiert Jacobi das Gezeigte gelegentlich aus dem Off.
Der Film schildert detailgetreu und nah an der Romanvorlage das Leben der bürgerlichen Familie Kempowski in den Jahren 1939 bis 1945 in Rostock. Dabei gibt es neben der Schilderung der besonderen Ereignisse im Leben von Walter und in der Familie auch immer wieder Darstellungen des Alltags, wie bei Spaziergängen mit dem Vater durch Rostock, in der Schule und Jugendgruppe, mit Freunden und Swing-Musik, bei gemeinsamen Essen und Weihnachtsfeiern mit der Familie, bei Kirchgängen oder Kinobesuchen.
Die Handlung beginnt mit dem Einzug der Familie Kempowski in eine neue Wohnung in Rostock am 16. April 1939. Es folgt die Schilderung der Situation in der neuen Wohnung und der Begebenheiten in der Familie, bei einem gemeinsamen Essen, bei einem Besuch beim Großvater und bei einer Szene mit der Nachbarstochter.
Während eines Abendessens kündigt Vater Karl eine Urlaubsreise an. Die Familie fährt am 10. August 1939 in den Harz. Sie wohnen in einem Offiziersheim. Dort erreicht sie die Nachricht von einem drohenden Kriegsbeginn, worauf sie verfrüht abreisen.
Bald nach der Rückkehr der Familie verstirbt der Großvater väterlicherseits. Bei der Sichtung des Nachlasses werden erhebliche Schulden festgestellt, die nun zurückbezahlt werden müssen. Am ersten Weihnachtsfeiertag wird Walter krank. Der Arzt diagnostiziert Scharlach und spricht über einen Genesungszeitraum von sechs Wochen.
Später nimmt Walter Klavierunterricht. Die Klavierlehrerin ist streng und Walter scheint nicht genug geübt zu haben. Dennoch spielt er 1941 Klavier auf einer Weihnachtsfeier im Rostocker Stadttheater.
Dann kommt es zu einem schweren Bombenangriff auf Rostock. Mutter Grete ist als Luftschutzwart eingeteilt, sie schickt die Hausbewohner in den Keller. Das Wohnhaus wird nur leicht beschädigt, aber es gibt einige Bombentreffer in der Strasse. Bruder Robert, der als Melder in der Stadt unterwegs war, berichtet über die erheblichen Zerstörungen in Rostock. Auch Dr. Krauses Selterswasserfabrik in der Nachbarschaft brennt ab.
Der Däne Sven Sörensen, ein Mitarbeiter im Kontor des Vaters, wurde von der Gestapo festgenommen, weil er Bombentreffer in einen Stadtplan eingezeichnet hatte. Mutter Grete spricht bei der Gestapo vor, um ihn frei zu bekommen. Er kommt auch kurz darauf frei und zieht in die Wohnung der Familie Kempowski ein, weil seine eigene Wohnung durch Bombentreffer zerstört wurde.
Vater Karl kommt auf Fronturlaub nach Hause und es gibt zunächst Spannungen in der Familie, die sich dann aber später wieder beruhigen. Da Walters Leistungen in der Schule erheblich nachgelassen haben, wird beschlossen, dass er zur Nachhilfe zu der sehr strengen Anna Kröger, genannt Tante Anna, gehen muss.
Walters Schwester Ulla und Sven Sörensen heiraten im Mai 1943. Die Hochzeitsfeier findet in der Wohnung der Familie Kempowski statt und dazu reisen viele Verwandte an. Ulla und Sven siedeln dann nach Dänemark über. Die Familie verabschiedet die beiden auf dem Bahnhof am Zug nach Kopenhagen.
In den Schulferien 1944 verbringt Walter drei Wochen auf Gut Germitz. Der Gutshof am Plauer See gehört der Familie von Ferdinand von Germitz, den er von der Nachhilfe bei Anna Kröger kannte. Während seines Aufenthalts lernt er Greta, die Schwester von Ferdinand näher kennen.
Vater Karl kommt im Oktober 1944 noch einmal auf Urlaub nach Hause. Aufgrund der aktuellen Kriegssituation ist die Stimmung während seines Aufenthalts schon sehr betrübt. Am Ende seines Urlaubs verabschieden Walter und seine Mutter den Vater auf dem Bahnhof. Von dort aus fährt er in eine ungewisse Zukunft an die Front zurück.
Da das Haus des Vaters von Mutter Grete in Hamburg durch Bombentreffer zerstört wurde, ist er nach Rostock gekommen. Der Großvater wird in der Wohnung der Familie aufgenommen. Auch wurde inzwischen ein Flüchtling, die Frau Stoffel, einquartiert.
Am 17. Februar 1945 wird auch Walter noch eingezogen. Er ist als Kurier eingesetzt und Mitte April 1945 bei einem Auftrag in Berlin realisiert er, dass die russischen Truppen schon sehr nahe an die Stadt heran gekommen sein müssen. Er sucht einen Weg aus der Stadt und es gelingt ihm dann in Nauen noch einen Zug nach Rostock zu finden, mit dem er am 25. April 1945 wieder in Rostock ankommt..
Der Film endet mit der Szene am 1. Mai 1945, an dem Walter mit Mutter und Großvater auf dem Balkon sitzt und dann russische Soldaten Rostock besetzen. "Wie isses nun bloß möglich", sagte meine Mutter. "Ich glaub', wir gehen 'rein."

Ein MUß, dieser Film. Fast wortwörtlich verfilmt, die Vorlage von Walter Kempowski.

  • Als optimal erscheint die Besetzung: Wie Edda Seippel Mutter Kempowskis beklemmend ahnungslose Unverwüstlichkeit spielt, wie sie ihr notorisches „Nein, wie isses nun bloß möglich“ nölt: wie Martin Semmelrogge den Sekundaner-Schmiß des Sohnes Robert hinlegt; wie Karl Lieffen, hier ein disziplinierter Komödiant, den „vogeligen“ Vater seine Kalauer schwadronieren läßt und ihm am Ende sogar, durch seinen unterm Kriegserlebnis lustloser werdenden Schnack, eine Spur von Tragik einspielt – „primig“!
  • Da wird ein Film gezeigt – die Regie: besser nicht denkbar; die Schauspieler: das Kunststück vollbringend, Individuen zu zeigen, die exemplarisch sind – Personen, die, unverwechselbar in ihrer Eigenständigkeit, dennoch als Charaktermasken fungieren – ein Film, der, in der Vergangenheit angesiedelt, die Gegenwart mitbedeutet. Das Perfekt, zeigen Kempowski und Fechner, ist ein Imperfekt. Die Handlung dauert noch an. Die Familie K. hat sich in ihrer Struktur nicht verändert. Die Leitmotive des Films weisen über das Stück hinaus und zeigen: eine Wiederholung ist jederzeit möglich. Das sozial-darwinistische Denkmuster dieser Familie bleibt dominant. 
Was soll man da noch sagen: "Klare Sache und damit hopp!"

  "Ich höre gerade"

Sehr viel sagen muß man zu den Kanadiern wirklich nicht! Chad Kroeger's Stimme ist unverwechselbar. Der Sound Nickelback's ist, Gott sei Dank kein Einheitsbrei, sondern kann sich durchaus von Musikstück zu Musikstück ändern.


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